Medizin und Pharmakologie

Das neue Coronavirus SARS CoV-2

Coronaviren gehören zu der Gruppe der RNA-Viren und umfassen viele verschiedene Arten. Die einen verursachen nur harmlose Erkrankungen wie Schnupfen oder Erkältungen, andere dagegen höchst gefährliche Erkrankungen wie Grippe, Masern, Tollwut, Ebola oder schwere, oft tödliche Lungenentzündungen wie das SARS-, MERS- und das neuartige Coronavirus SARS CoV-2.


Viren verfügen über keinen eigenen Stoffwechsel und sind daher zu ihrer Vervielfältigung auf einen Wirtsorganismus angewiesen in dessen Zellen sie eindringen und sich vermehren. Es gibt DNA- und RNA-Viren. Die Nukleinsäuren Desoxyribonukleinsäure (engl. Desoxynucleic Acid, DNA) und Ribonukleinsäure (engl. Ribonucleic Acid, RNA) sind Kettenmoleküle aus Nukleotidbausteinen und Träger aller Erbinformationen (Gene). Die Nukleotide bestehen wiederum aus einer organischen Base (Adenin, Thymin (DNA) bzw. Uracil (RNA), Guanin und Cytosin), einem Zucker (Desoxyribose bei der DNA und Ribose bei der RNA) und einem Phosphat. Die über die Phosphate verknüpften Zucker bilden das Rückrat der Kettenmoleküle DNA und RNA. Die Basen können sich mit den Basen einer gegenüber liegenden Kette (über Wasserstoffbrückenbindungen) paaren: Adenin mit Thymin oder Uracil und Guanin mit Cytosin. Wenn sich zwei Ketten so verbinden, dann sind sie gegensinnig ausgerichtet. Die DNA liegt in einer zweisträngigen Helixstruktur vor, die RNA zumeist als einsträngige Helix, manchmal aber auch zweisträngig. In einer lebenden Zelle findet ständig eine Proteinbiosynthese nach den Anweisungen der Erbinformationen (genetische Informationen) statt. So wird die Information realisiert. Proteine sind ebenfalls Kettenmoleküle und bestehen aus miteinander verknüpften Aminosäurebausteinen. Proteine sind die wesentlichen Strukturelemente und Funktionsträger allen bekannten Lebens. Zum Beispiel sind die Enzyme als Biokatalysatoren für den Stoffwechsel der Zelle entscheidend.

Die Proteinbiosynthese beginnt mit der Aktivierung des das jeweilige Protein codierenden Gens und dem Ablesen der Erbinformation. Die Erbinformationen lebender Organismen liegen immer als zweisträngige DNA vor. Nach der Aktivierung eines Gens wird die DNA-Doppelhelix an der entsprechenden Stelle geöffnet, die die Erbinformation enthaltende Basensequenz abgelesen und eine Boten-Ribonukleinsäure (m-RNA, engl. messenger) als Negativkopie der in der DNA codierten Erbinformation zusammengefügt. Die m-RNA wird durch Anhängsel (5’ CAP und 3’ Polyadenylschwanz) stabilisiert und wandert zu den in der Zellflüssigkeit herumschwimmenden Ribosomen wo dann aus Aminosäuren ein durch den genetischen Code bestimmtes Protein aufgebaut wird. Dabei helfen unterschiedliche Transporter-Ribonukleinsäuren (t-RNA), welche jeweils bestimmte Aminosäuren im Schlepptau haben. Unter Mitwirkung des Ribosoms docken sie an den jeweils zu ihnen passenden Abschnitt der m-RNA an (Positivkopie). Drei Basenpaare der DNA, m-RNA (Negativkopie) und t-RNA (Positivkopie) codieren bei der Proteinbiosynthese für jeweils 1 von 20 Aminosäuren aus denen sich zumindest alle Proteine des irdischen Lebens zusammensetzen. Das fertige Protein faltet sich in Abhängigkeit von seiner Aminosäuresequenz zu einer hochspezifischen räumlichen Struktur und übernimmt dann eine bestimmte Aufgabe als Enzym, Botenstoff, Rezeptor oder Strukturelement. Die Proteinbiosynthese wird durch aktive Enzyme unterstützt.

Da Viren keinen eigenen Stoffwechsel haben, sind sie auch nicht zur Proteinbiosynthese in der Lage. Sie bestehen aus reiner Erbinformation (DNA oder RNA), die sich in einer Proteinkapsel (Capsid) befindet. Einige Viren, so auch die Coronaviren haben zusätzlich noch eine Hülle aus fettähnlichen Substanzen (Lipiden) in einer Doppelschicht mit eingefügten Proteinen (umhüllte Viren). Zusätzlich zu den Strukturproteinen gibt es auch noch Hilfsenzyme (z.B. RNA-Polymerase (Enzym, das Nukleotide zu einer RNA verknüpft) und Proteasen (eiweißspaltende Enzyme bei RNA-Viren). Bei positiver Polarität der Virus-RNA, wenn diese direkt abgelesen werden kann sind diese Enzyme im Erbgut des Virus codiert. Bei negativer Polarität der Virus-RNA, wenn diese vor dem Ablesen noch kopiert werden muss, sind die bereits fertigen Enzyme im Virus mit verpackt. Um sich zu vermehren machen sich Viren die Kopiermechanismen für DNA und RNA und die Proteinbiosynthese des Wirtsorganismus zunutze. Coronaviren haken sich mit Hilfe bestimmter Oberlächenproteinen auf ihrer Hülle, den Spikes an den Zellen ihres Wirtsorganismus fest und bahnen sich den Weg ins Zellinnere durch dessen aus einer Lipiddoppelschicht und Proteinen bestehenden Zellmembran. Dazu nutzten die Viren Proteine in und auf der Zellmembran. Am wichtigsten dabei ist das Enzym ACE 2 (Angiotensin Converting Enzyme 2).
ACE 2 spaltet das die Blutgefäße verengende (blutdruckerhöhender Effekt) und entzündungsfördernde Peptid Angiotensin 2 wodurch Angiotensin 1,7 und 1,9 entstehen. Diese wirken gegensinnig zu Angiotensin 2 (u.a. indem sie es von seinem Rezeptor verdrängen). Sie erweitern die Blutgefäße (Blutdruck senkender Effekt) und wirken entzündungshemmend.
Beide Effekte kommen über die Freisetzung von Stickstoffmonoxid im Endothel, der inneren Auskleidung der Blutgefäße zustande. Stickstoffmonoxid lässt die glatte Muskulatur der Blutgefäße erschlaffen, wodurch sie weit gestellt werden und neutralisiert oxidierende freie Radikale, welche das Endothel schädigen und so eine Entzündung auslösen. Angiotensin 2 wird durch Spaltung der inaktiven Vorstufe Angiotensin 1 mit Hilfe des Enzyms ACE 1 (Angiotensin Converting Enzyme 1) gebildet, das im Gegensatz zu ACE 2 beim Eindringen des Virus in die Zelle aber keine Rolle spielt.
ACE 2 aber dient dem Coronavirus sozusagen als Eintrittspforte ins Innere der Wirtszelle und dabei wird ACE 2 gleichzeitig deaktiviert. Der Eintritt in die Zelle geschieht nach einer Membranfusion (der Biomembranen von Virus und Wirtszelle) durch Ausstülpung der aus einer Lipiddoppelschicht und Proteinen bestehenden Biomembran nach innen. Es schnüren sich dann membranumhüllte Endosomen ins Zellinnere ab.
Diese Transportvehikel bilden sich immer dann, wenn Proteine aber eben auch Viren von Zellen aufgenommen werden.
Im Zellinneren werden die Viren durch die Endosomen in Richtung Zellkern transportiert. Dort angekommen verschmelzen die Endosomen mit Lysosomen, welche die durch die Endosomen transportierten Proteine enzymatisch abbauen.
Das geschieht auch mit der Proteinhülle der Viren, sie werden von ihren Hüllen befreit (Uncoating). Die nun freiliegende virale RNA wird vom Wirtsorganismus als m-RNA (positiver Strang) angesehen und die Proteinbiosynthese der viralen Strukturproteine, der viralen RNA-Polymerase und Proteasen beginnt.
Mit Hilfe der RNA-Polymerase und eines Replikationskomplexes aus weiteren Proteinen, die durch Proteasen aus einer gemeinsamen Vorstufe abgespalten werden wird die Virus-RNA vervielfältigt.
Dazu wird zunächst ein negativer Strang hergestellt und daraus dann wieder ein positiver Strang. Es entstehen unzählige Viren, die sich aus ihren Wirtszellen befreien. Ein neuer Vermehrungszyklus der Viren kann beginnen. Durch die Infektion mit Viren werden die Zellen des Wirtsorganismus beschädigt oder sogar zerstört.
Der neue Coronavirus SARS-CoV-2 ist sehr ansteckend, weil er sich nicht nur in der Lunge festsetzen kann wie SARS sondern auch im Rachen so wie das einfache Erkältungsviren oder Grippeviren auch tun. Oft befällt erst danach auch die Lunge.
Die COVID-19 Erkrankung führt zu trockenem Husten, aber auch leicht zu einer schweren Lungenentzündung mit Atemnot. Das Lungengewebe wird zerstört bis hin zum Funktionsverlust. Die Kranken ersticken. Die Lungenentzündung entsteht weniger durch eine bakterielle Zweitinfektion der durch die Viren vorgeschädigten Bronchien sondern vor allem durch eine Überreaktion des Immunsystems auf den Virus. Im Übermaß ausgeschüttete Botenstoffe (Zytokinsturm) lösen eine heftige Entzündung aus, die das Lungengewebe zerstört. Oft sind auch andere Organe wie Herz, Niere und Leber betroffen. Von besonderer Bedeutung im Krankheitsgeschehen ist der Angriff des neuen Coronavirus auf die Blutgefäße. Dieser Angriff läuft über das Enzym ACE 2, das dem Virus ja als Eintrittspforte in die Zelle dient und dabei deaktiviert wird.
Ist ACE 2 inaktiv, so bilden sich vermehrt freie Radikale im Endothel und der dadurch ausgelöste oxidative Stress führt zu einer Entzündung. Diese aktiviert wiederum vermehrt Leukozyten (weiße Blutkörperchen), darunter Neutrophile (Granulozyten), welche zur Zerstörung von Krankheitserregern freie Radikale abgeben und dadurch das entzündliche Geschehen noch weiter verstärken. Das Endothel der Blutgefäße wird beschädigt und durchlässig, so daß Blutgerinnungsfaktoren (vor allem der van-Willebrandt-Faktor) ins Blutserum übertreten können.
Es kommt zur Bildung von kleinen und größeren Blutgerinnseln (Thromben) an den Gefäßwänden. Wenn sich größere Thromben losreißen und mit dem Blutstrom fortgetragen werden drohen schwere Komplikationen wie Herzinfarkt, Lungenembolien und Schlaganfälle. Kleine Thromben verstopfen die kleinen Blutgefäße was zu Organversagen führen kann. Ein großer Teil der Todesfälle durch COVID-19 sind auf diese Vorgänge in den Blutgefäßen zurückzuführen.
Das neue Coronavirus dringt sehr oft über die Nase ein. Über den Riechnerv wandert es dann ins Gehirn. Das führt zu Geruchs- und Geschmackssinn, ein charakteristisches Symptom nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus. Das geht zwar normalerweise bald vorüber aber können sich auch Entzündungen im Gehirn entwickeln. Eine zentrale Atemlähmung kann die Folge sein.
Wie viele andere Coronaviren hat auch das neue Coronavirus SARS CoV-2 seinen Ursprung in Fledermäusen.
Diese Tiere haben ein besonders gut funktionierendes Immunsystem, das ihnen eine Koexistenz mit gefährlichen Viren erlaubt. Fledermäuse können diese Viren soweit in Schach halten, daß sie selbst nicht erkranken. Warum haben die Fledermäuse aber ein so gutes Immunsystem? Um zu fliegen muss ihr Stoffwechsel hochaktiv sein. Dabei entstehen viele freie Radikale, die das Gewebe schädigen und starke Entzündungen auslösen. Das Immunsystem der Fledermäuse wird aber mit diesem oxidativen Stress fertig und verhindert zerstörerische Entzündungen. Das gelingt dann genauso auch bei Infektionen mit gefährlichen Viren: Das Immunsystem schüttet große Mengen an Interferon Alpha aus, das die zelluläre Abwehr aktiviert, so daß die Viren nur in wenige Zellen eindringen können. Gleichzeitig wird eine überschießende Immunreaktion verhindert, die auch nicht befallene, gesunde Zellen zerstören würde. Als Reaktion vermehren sich die Viten verstärkt und können so wenigstens in einigen Zellen überleben. Eine Krankheit lösen sie aber nicht aus, denn die meisten Zellen bleiben ja virenfrei und damit gesund. Viren, welche unter den Bedingungen des besonders leistungsfähigen Immunsystems der Fledermäuse gerade so überleben können, werden sehr gefährlich, wenn sie auf Wirtsorganismen mit einem schwächeren Immunsystem treffen. Sie vermehren sich dann rasend schnell. Das überforderte Immunsystem reagiert über, der Wirtsorganismus wird schwer krank und oft genug durch die Entzündungen zerstört.
Solange kein Impfstoff gegen das Coronavirus SARS CoV-2 zur Verfügung steht bleibt nur die Möglichkeit, die Ausbreitung der gefährlichen Infektion aufzuhalten. Das kann durch sorgfältige Hygienemaßnahmen und durch eine Quarantäne von Infizierten und ihren Kontaktpersonen erreicht werden. Umfangreiche Test sind dazu notwendig. Das Virus breitet sich hauptsächlich beim Husten und Niesen über Tröpfcheninfektion aus. Aber auch schon beim Sprechen ist eine Übertragung in Form allerkleinster Tröpfchenaerosole über die Luft möglich. In nur wenig durchlüfteten, geschlossenen Räumen ist die Ansteckungsgefahr groß, in frischer Luft im Freien eher sehr gering. Das Virus überdauert auch über längere Zeit auf Oberflächen, die von Infizierten berührt wurden. Viele Infizierte zeigen keine oder nur geringe Symptome und sind trotzdem Überträger des Virus. Das erschwert die Eindämmung von Neuinfektionen ungemein!
Derzeit wird an Impfstoffen geforscht und nach Substanzen gesucht, welche die Vermehrung des Virus hemmen. Dabei gibt es schon gute Ansätze. Einige Impfstoffe sind vielversprechend, da sich bei ihrer versuchsweisen Anwendung Antikörper gegen das neue Coronavirus bilden und es wurden auch bereits Substanzen gefunden, die eine Wirksamkeit gegen das Virus zeigen. Diese Wirkstoffe hindern zum Beispiel das Virus am Eindringen in die Zellen des Wirtsorganismus oder sie hemmen die RNA-Polymerase und damit die Vervielfältigung der viralen RNA. Ein weiterer Ansatz ist die Unterdrückung einer Überreaktion des Immunsystems bei Kontakt mit dem Virus. Gegen die Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) mit all den schlimmen Folgen bietet sich der Einsatz von Blutgerinnungshemmern (Antikoagulantien) wie zum Beispiel Heparin an.
Das neue Coronavirus SARS COV-2 ist wesentlich aggressiver als die auch schon oft sehr gefährliche Grippe und führt zu wesentlich mehr schweren Verläufen und sehr vielen Todesfällen. Die Entwicklung von wirksamen Impfstoffen und Medikamenten ist daher ein Wettlauf mit der Zeit!
Jens Christian Heuer

Quellen:
On the origin and continuing evolution of SARS-CoV-2, National Science Review, März 2020
Accelerated viral dynamics in bat cell lines, with implications for zoonotic emergence, eLife digest, Februar 2020
RKI, SPIEGEL online, MedCram, WHO, Wikipedia